Metzlers neues Ausländergesetz: «Sonder-Polizeigesetz gegen Ausländerinnen und Ausländer»

Erst brauchte es ein «wütendes Nein» gegen die 18-Prozentinitiative ­ und gleich anschliessend sollte ein «verärgertes Nein» gegen Bundesrätin Ruth Metzlers verschlimmbessertes Ausländergesetz folgen: Offen denkende Personen und Gruppierungen in der Schweiz sind in diesen Wochen gefordert wie schon lange nicht mehr. Ihrem Doppel-Nein zu Grunde liegt der Wunsch, die Schweiz möge endlich von kleinherziger, ausländer- und frauenfeindlicher Nationalitätenpolitik verschont werden. Wieder einmal sind sie in die Rolle gezwungen, alle in Schutz nehmen zu müssen, die mit dem Stichwort «Ausländer» geistig an die Wand gestellt und gesellschaftspolitisch sozusagen aus dem Rennen geworfen werden.

Von Beat Leuthardt*

Der Kampf gegen Metzlers Ausländergesetz wird dabei noch schwieriger werden als es der Kampf gegen die Ausländer-Innen-Guillotine war. Hunderte von so genannten Meinungsträgern aus Wirtschaft und Politik, die der 18-Prozentinitiative zu einem Nein-Mehr verhelfen sollten, wechseln nach dem Abstim-mungssonntag die Seite. Sie, die in gespielter Entrüstung Nein zur Ausländerquote sagten, werden nunmehr freudig Ja zur Zementierung der AusländerIn-nen-Diskriminierung sagen, wie Bundesrätin Metzler es in ihrem angeblich modernen neuen Ausländergesetz vor- schlägt. In Wahrheit ist ihr «Gegenvorschlag» vom selben kleinkrämerischen Geist beseelt wie die 18-Prozentinitiative
und das geltende Ausländergesetz.

Doppelpässe zwischen Schlüer und Metzler

Die Justiz- und Polizeibehörden nutzen dabei die altbekannte Strategie schweizerischer Ausländer- und Flüchtlingsabwehr. Erst werden aus der rechten Ecke jeweils radikale Forderungen gegen die so genannte Überfremdung oder den so genannten Asylmissbrauch erhoben. Dies verhilft dann PolizeistrategInnen aus Bund und Kantonen dazu, ihrerseits ausgrenzende Massnahmen zu entwerfen, diese als gemässigt darzustellen und sie in der Öffentlichkeit durchzubringen.

Die ungünstigen Folgen dieses Doppel-pass-Spiels von Rechtsaussen und Polizeibehörden sind bekannt. So kämpften GewerkschafterInnen in der Waadt und der übrigen Schweiz gegen die Abschiebung ihrer langjährigen ArbeitskollegIn-nen, der Saisonniers vorwiegend aus dem ehemaligen Jugoslawien; Ruth Metzlers Departement wollte sie nach Jahren harter und wertvoller Arbeit nicht mehr in der Schweiz haben. Und Asylbewegte rund um Menschenrechtsorganisationen wie «augenauf» wehren sich gegen die Inhaftierung und Ausschaffung unschuldiger Asyl Suchender in Gefängnisse auf der ganzen übrigen Welt und speziell auf dem afrikanischen Kontinent.

«Ausländerkriminalität», «Asylmissbrauch», «Gewalt gegen Frauen»: Facts gegen Vorurteile

Trotz der Solidarität am Arbeitsplatz bleiben Unsicherheiten und Vorurteile gegenüber «den» Ausländern im Raum stehen. Neben Rechtsaussen und Polizeibehörden torpedieren auch sich als liberal bezeichnende Personen und Medien den Wunsch nach Menschenwürde und Anstand im Umgang mit Nicht-Schwei-zerInnen. Doch ihre diffusen Hinweise auf «Ausländerkriminalität», «Missbrauch» von Ehe- und Asylrecht sowie Übergriffe von Ausländern auf Frauen sind vielfach widerlegt.

So belegen offizielle Statistiken, dass die Kriminalitätsrate bei Nicht-SchweizerIn-nen allgemein tiefer liegt als behauptet, auch in Bezug auf «Gewaltdelikte». Der Vorwurf, das Asylrecht werde missbraucht, fällt zurück auf die Asylbehör-den, die das Asylrecht gemäss Men-schenrechtsorganisationen regelmässig auch in offensichtlich berechtigten Fällen beugen. Den Vorwurf der «Scheinehe» dementieren engagierte Schweizer Politikerinnen und Kennerinnen wie die Zürcher SP-Nationalrätin Christine Goll. Männliche Anmache und andere Formen der Gewalt gegen Frauen schliesslich, meinen engagierte Frauen, sei nicht auf Ausländer beschränkt und bei Schweizer Männern auch kaum seltener; jedenfalls könne eine so wichtige Diskussion nicht auf der Seite der SVP-Frauen mit ihrer Ja-Parole zur 18-Prozentinitiative geführt werden.

Intelligente Stimmen gegen das neue Ausländergesetz

Untergegangen sind im Medienkonzert vor der Abstimmung offenere Stimmen. Etwa jene des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), der vom Bund und Gesetzesredaktionen den ausgrenzenden Begriff «Ausländer» ersetzt haben will durch «Zugewanderte» oder «Immi-grantInnen», wodurch die Schweiz «ihre Verbundenheit gegenüber den universellen menschlichen Werten» neu bekräftigen würde. Beachtung sollten auch die inhaltliche Kritik am Metzler-Gesetzesentwurf und Vorschläge der Nationalrätin Christine Goll (wohl der künftigen Vizepräsidentin der SPS) finden. An einer Gewerkschaftstagung Ende 1999 hat sie sie eindrücklich und lesenswert dargelegt («Rechte für und mit Migrantinnen politisch durchsetzen»). Eine würdige Regelung des Familiennachzugs und ein eigenständiges Aufenthalts- und Arbeits- recht für Migrantinnen fehle vollständig. Stattdessen sei die gesetzliche Neuregelung, so Goll, «lebensfern, restriktiv und geprägt von einer jeder Integrationspolitik spottenden Abwehrhaltung». Daneben bleibt die 1999 erhobene Kritik am Ausländergesetz, das damals nur dank einer Indiskretion bekannt wurde, bestehen. Auch der nun vorliegende definitive Entwurf, den Bundesrätin Metzler in die Vernehmlassung gegeben hat, sieht vielfache Verschlechterungen vor (vgl. Kasten). Die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz («ein Gesetzesentwurf für den Reisswolf») lehnen ihn denn auch als «Sonder-Polizeigesetz gegen Ausländerinnen und Ausländer» rundum ab.

Ausländergesetz kriminalisiert FluchthelferInnen

Eliminiert werden soll schliesslich auch der einzige Grundgedanke, der nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges im bestehenden ANAG weiterlebt: die straflose Rechtfertigung für illegale Einreise und entsprechende Fluchthilfe. «Straflos» bleibt heute die Einreise, «wenn die Art und Schwere der Verfolgung den rechtswidrigen Grenzübertritt rechtfertigen». Gleiches gilt für Beihilfe aus «achtenswerten Beweggründen», also auch für einige der vielgeschmähten so genannten «Schlepper» oder «Schleuser». Dieser Artikel 23 Absatz 3 des ANAG ist die Ausformulierung des entsprechen-den Artikels 31 der Genfer Flüchtlingskonvention.

So soll nun also auf Geheiss von Ruth Metzler Schluss sein mit Freisprüchen angeblich krimineller «Schlepper», die aber in Wirklichkeit einfache Asylbe-wegte oder PfarrerInnen sind. Solche Freisprüche ergingen gerade in den 80er Jahren ­ zum grossen Ärger von parlamentarischen Hardlinern wie Georg Lüchinger, Jean-Pierre Bonny (beide FDP) und Theo Fischer (SVP) ­ von einzelnen unabhängigen Gerichtspräsidenten. Bekannt wurden etwa die gut begründeten Urteile des Bezirksgerichts Uster und anderer Gerichte in den Kantonen Solothurn und Genf.

Weil ANAG 23 Absatz 3 «in der Praxis», wie der Bundesrat lakonisch und zynisch schreibt, «immer wieder zu Auslegungsproblemen geführt» habe, fehlt die Bestimmung nun in Artikel 101 des neuen Ausländergesetzes schlicht. Da die Nachbarstaaten sowohl die Flüchtlingskon-vention wie die Europäische Menschen-rechtskonvention unterzeichnet hätten,

*Beat Leuthardt ist Journalist und Buchautor in Basel

Gentech-Analysen gegen Kinder, Gefängnis für Piloten und eventuell auch für Tramführer

(leu.)
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