Friedens- und Abrüstungsorganisationen und die UNO

Friedensorganisationen hoffen vielfach auf die Kraft der UNO, um Konzepte von Abrüstung, Gewaltlosigkeit oder einfach ‚Frieden’ global durchzusetzen. Zugang zu UNO-Gremien zu erlangen ist aber wegen der komplexen Strukturen sehr schwierig. Doch die lobbyie-renden Organisationen und Gruppen sind mittlerweile so zahlreich und unüberhörbar, dass die in ihrer Macht beschränkte Weltorganisation daneben immer kleiner erscheint. Ein Bericht über die neueren Entwicklungen und Trends in der Zusammenarbeit zwischen UNO, Regierungen und NGO.

Von Colin Archer*

Bevor ich nach Genf kam, sah ich die UNO als eine unzugängliche, eher staubige Institution an, die mit den "gewöhnlichen" Menschen wenig zu tun hat. Nach nunmehr zehn Jahren haben sich meine Ansichten zwar stark verändert, aber nicht völlig. Bereits in der ersten Woche meines Jobs beim Internationalen Friedensbüro IPB in Genf musste ich ein Friedensfestival vor dem UNO-Gebäude "Palais des Nations" organisieren. Dieses Fest sollte eine Gruppe von Anti-Atomwaffen-Engagierten empfangen, die auf ihrem Marsch gegen die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen und zur Unterstützung eines Sperrvertrages nach Genf kamen. Seither blieb meine Arbeit weitgehend davon geprägt, den verschiedensten NGO auf die eine oder andere Weise dabei zu helfen, ihren Weg durch den UNO-Dschungel zu finden.

Trends

Es gibt immer mehr NGO, welche mit der UNO zusammenarbeiten wollen. Die Zahl der NGO-Aktivitäten rund um die Weltgipfel in den neunziger Jahren war spektakulär. Viele haben inzwischen den Eindruck, dass die UNO die Übersicht verloren hat und nicht mehr fähig ist, effizient mit diesen vielen Lobby-Gruppen umzugehen, welche zum Teil auf speziellen Gebieten Druck machen oder generell politisch präsent sind.

Das Millennium-NGO-Forum in New York, welches im Mai 2000 stattfand, war denn auch zugleich Ausdruck der Stärke all dieser unterschiedlichen NGO wie auch ihrer Schwäche. Es war enorm schwierig, sowohl eine adäquate Finanzierung dieses Anlasses zu sichern (so dass möglichst alle teilnehmen konnten) wie auch einen Konsens unter all denjenigen zu finden, die es schliesslich zu diesem Anlass am UNO-Hauptquartier schafften.

Wie auch immer: das abschliessende Dokument ist trotz all seiner Schwächen ein nützliches Druckmittel für den Millenniums-Gipfel vom September.

Die neue demokratische Diplomatie

Den wohl grössten Erfolg im letzten Jahrzehnt erzielten die NGO mit der internationalen Kampagne für ein Verbot von Landminen sowie mit der Kampagne für einen Internationalen Strafgerichtshof. Ebenfalls von Bedeutung war das frühere Welt-Gerichts-Projekt (World Court Project), das die Regierungen in der UNO-Vollversammlung davon überzeugte, im Falle einer Bedrohung durch Nuklearwaffen die beratende Meinung des Internationalen Gerichtshofes einzuholen. Diese erfolgreichen Kampagnen kamen dank der sogenannten neuen Diplomatie zustande. Darunter versteht man die neue Partnerschaft zwischen NGO (oder den sogenannten zivilgesellschaftlichen Organisationen CSO), Regierungen und überstaatlichen Strukturen, wenn es darum geht ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dieses Konzept versucht, auf demokratische Art und Weise ‚sanften’ Druck auf die EntscheidungsträgerInnen auszuüben und den Einbezug der Zivilgesellschaft und vor allem auch von Frauen an den Verhandlungstischen durchzusetzen.

Ein anderer, negativer Trend zeigt sich im zunehmenden Widerstand einzelner Regierungen gegen die Menschenrechtsarbeit. Das Komitee, welches mit dem ECOSOC-Status von NGO betraut ist, erlebt immer öfter, dass Regierungen gegen Menschenrechts-Organisationen agieren. Ein Ausdruck dieses ‚backlash’ (Rückschlages) gegen NGO zeigt sich auch in den Entwicklungen der Kleinwaffenkampagne, welche nach der erfolgreichen Landminenkampagne lanciert wurde. Die Regierungen versuchen nun, die Diskussionen auf den illegalen Handel mit Kleinwaffen zu beschränken und das Thema als reines Abrüstungsthema zu behandeln. Die NGO sind aber der Meinung, dass es auch um den legalen Handel gehen müsse und dass weit grössere Dimensionen angesprochen werden: Der Handel mit Kleinwaffen hat schliesslich auch humanitäre, entwicklungspolitische und menschenrechtliche Aspekte; seine Beschränkung spielt in Konfliktlösungsbestrebungen eine wesentliche Rolle. An der Konferenz zu diesem Thema vom nächsten Jahr werden wir sehen, wie dieser Konflikt zwischen NGO und Regierungen auf dem internationalen Parkett ausgetragen wird.

Money makes the world go round

Zu den Entwicklungen der letzten Jahre gehört auch der zunehmende Einfluss der Privatwirtschaft auf die UNO. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden finanziellen Lage der Weltorganisation – die in grossen Teilen der Politik der USA angelastet werden muss – ist eine steigende Involvierung von privaten Gesellschaften zu beobachten. Dies zeigt sich auch in den Diskussionen rund um die Rolle der diversen internationalen Organisationen, in welche sich der Privatsektor immer öfter einmischt. Seien dies die Kompetenzen der internationalen Arbeitsorganisation ILO oder der Funktion der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development, UNO-Handels- und Entwicklungskonferenz). Vor allem aber an der zunehmend wirtschaftsfreundlichen Politik der Welthandelsorganisation WTO lässt sich der Einfluss der internationalen Konzerne klar ablesen. Am Sozialgipfel in Genf dieses Jahres kritisierten die NGO denn auch die Nähe des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan zur WTO, zum internationalen Währungsfonds und auch zur OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Diese Interessenpolitik würde es verunmöglichen, dass die Stimme der Zivilbevölkerung gehört, geschweige denn einbezogen würde.

Zu den positiveren Entwicklungen gehört die Revolution der Informationstechnologien, vor allem durch das Internet. Vielleicht ist dies die wichtigste Entwicklung überhaupt. Während es früher nur wenigen privilegierten Kreisen möglich war, zu UNO-Dokumenten zu gelangen, können nun alle, die über den Zugang zum Internet verfügen, diese Dokumente auf der immer grösseren UNO-Website einblicken. Diese neuen Technologien ermöglichen aber auch einen weit besseren Informationsaustausch nicht nur unter den NGO, sondern auch mit der UNO selbst. Das Herumsuchen im elektronischen Labyrinth der UNO kann sehr lehrreich sein, um deren Strukturen und Funktionsweise besser zu verstehen.1

Zusammenarbeit mit der UNO

Im für die Friedensarbeit so wichtigen Bereich der Abrüstungspolitik ist es für NGO nicht gerade einfach, die Beratungen zwischen den Regierungen zu überblicken und zu beeinflussen. Diese Sicherheitsfragen werden wohl als letzte für die zivilgesellschaftliche Mitsprache geöffnet. Die Abrüstungsmaschinerie umfasst bislang die formellen, regulären Ebenen: die Generalversammlung, die Abrüstungskonferenz und die Abrüstungskommission. Dazu kommen gelegentlich grosse Konferenzen zur Überprüfung der Nicht-Verbreitungs-Regelungen. Dann gibt es die verschiedensten Agenturen: Eine behandelt das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO), eine andere kümmert sich um die Atomenergie (IAEA), wieder eine andere Agentur wurde geschaffen, um sich mit Chemiewaffen zu beschäftigen. Diese arbeiten teilweise mit technisch-spezialisierten NGO und unabhängigen ExpertInnen zusammen. Ausserdem gibt es noch eine UNO-Forschungsstelle für Abrüstung, das UNIDIR. NGO werden gelegentlich aufgefordert, ihre Haltung dem beratenden Ausschuss für Abrüstungsfragen zu präsentieren. Während einige NGO nicht müde werden, die diversen Abrüstungsverhandlungen von der Zuschauertribüne aus zu verfolgen, versuchen andere, sich zu spezialisieren und Seminare oder Sitzungen zu organisieren, die für die DiplomatInnen nützlich sein können, um so zu Einfluss zu gelangen.

Bei Menschenrechtsfragen wiederum gibt es die etablierte Praxis, dass NGO Erklärungen abliefern dürfen. Sie können also das Parkett der RegierungsvertreterInnen auf der Ebene der Menschenrechtskommission betreten. In der humanitären Arbeit sieht es wieder ganz anders aus. Hier tummeln sich Hunderte von humanitären Organisationen. Diese müssen tagtäglich ihre Beziehungen zu den UNO-Agenturen und den MitarbeiterInnen in den Hilfsprogrammen definieren. Friedenserhaltende Massnahmen im engeren Sinne bleiben aber den Staaten und der UNO-Abteilung für friedenserhaltende Massnahmen vorbehalten. Immerhin werden im UNO-Jahr für eine Kultur des Friedens und in der Dekade unter UNESCO-Mandat (siehe Artikel "Ein Jahr und eine Dekade") die NGOs einbezogen und das Manifest 2000 öffnet die Diskussion für jeden und jede einzelne.

1 Besonders interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang die Sektion über die zivilgesellschaftlichen Beziehungen der UNO: www.un.org/partners/civil_society/home.htm
*Colin Archer ist Sekretär des Internationalen Friedensbüros PBI in Genf. Übersetzung: Manuela Reimann

NGO als UNO-Beraterinnen

Gemäss der Charta kann der UNO-Wirtschafts und Sozialrat ECOSOC sich mit Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) beraten, welche auf Gebieten arbeiten, die unter den Kompetenzbereich des ECOSOC fallen. Der Rat anerkennt, dass diese Organisationen die Möglichkeit haben sollen, ihre Ansichten einzubringen. Er anerkennt auch, dass diese Organisationen über spezielle Erfahrungen und technisches Wissen verfügen, welche dem Rat dienlich sein können. Über 1500 NGO haben mittlerweile diesen konsultativen Status beim ECOSOC erlangt. Sie werden in drei Kategorien eingeteilt. Kategorie I umfasst alle Organisationen, die mit den meisten Themen des ECOSOC zu tun haben. Kategorie II ist für NGO da, welche auf ganz bestimmten Gebieten zu Experten wurden. Die dritte Kategorie schliesslich ist für all diejenigen gedacht, die hin und wieder etwas zur Arbeit des Rates beitragen, zu seinen Unterabteilungen oder auch für andere UNO-Organe. Den NGO mit konsultativem Status ist es erlaubt, BeobachterInnen an die öffentlichen Sitzungen des ECOSOC und seiner Unterabteilungen zu entsenden und auch schriftliche Eingaben zu machen. Sie können auch mit dem UNO-Sekretariat Treffen abhalten, wenn dieses sie um Rat fragt. Einige derjenigen, die den konsultativen Status des ECOSOC erlangt haben, schlossen sich im CONGO zusammen und schufen spezialisierte Komitees.

Andere NGO, vor allem solche, die auf nationaler Ebene arbeiten, können sich beim UNO-Departement für öffentliche Information DPI registrieren lassen. Es gibt inzwischen über 1550 solcher DPI-NGO und viele sind an der jährlichen DPI-NGO-Konferenz vertreten.

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