Nahrung für Öl

Die Sanktionen gegen den Irak haben sich als Sackgasse erwiesen. Der irakische Diktator blieb und bleibt an der Macht, während das Volk unter der Last des Embargos darbt.

1990, während des zweiten Golfkrieges verhängte die UNO eine Wirtschaftssperre über das ölreiche Land. Dieses Embargo wurde nach der Befreiung Kuwaits verlängert und soll andauern, bis die in der Resolution 687 von 1991 gestellten Bedingungen vom Irak erfüllt und sämtliche Produktionsstätten von biologischen, chemischen und nuklearen Waffen zerstört sind.

Die Auseinandersetzungen zwischen den UNO-WaffenkontrolleurInnen, dem irakischen Diktator und den amerikanischbritischen Strafkommandos in den letzten Jahren sind wohl unvergessen. Soeben wurde eine neue Waffenkontrollkommission Unmovic eingesetzt, welche die Unscom ersetzt; diese stand unter dem Verdacht, vom Pentagon unterwandert zu sein, und war von Saddam Hussein aus dem Land geworfen worden.

Während die Sicherheitsratsmitglieder Frankreich, Russland und China immer wieder für eine Lockerung oder gar Aufhebung der Sanktionen plädiert haben (und zum Teil bereits provisorische Verträge mit der irakischen Ölindustrie abschlossen), wichen die USA und Grossbritannien bis anhin nicht von ihrer harten Haltung ab. Dies trotz der Berichte über das Leiden der Zivilbevölkerung.2 1991 war dem ins Mittelalter zurückgebomb-ten Irak erlaubt worden, einen Teil seines Öls für Nahrungsmittel und Medikamente zu verkaufen. Die Sicherheitsrats-Resolutionen 706 und 712 sahen vor, dass mit begrenzten Ölverkäufen unter UN-Kontrolle humanitäre Massnahmen bezahlt und der UN-Ausgleichsfonds für Opfer des Golfkriegs sowie die im Irak tätigen UN-Organisationen (inkl. der WaffeninspektorInnen) finanziert werden sollten. Erst 1996 stimmte Saddam Hussein der modifizierten Resolution 986 zu, womit das Programm ´Öl für Nahrungsmittelª starten konnte. Der Betrag der erlaubten Einnahmen durch den Ölverkauf wurde in den vergangenen Jahren sukzessive auf 5,5 Milliarden US-Dollar erhöht. Seit Ende 1999 erlaubt die UNO dem Irak unbegrenzte Erdölausfuhren, doch fliesst der gesamte Erlös auf ein Sperrkonto, aus dem nur humanitär motivierte Importe finanziert werden dürfen. Erneut wird jetzt auf höchster Ebene — nicht nur vom UN-Generalsekretär, sondern auch von der amerikanischen Regierung — über den Sinn des Embargos debattiert. Dies angesichts der Tatsache, dass des Diktators Macht davon bisher überhaupt nicht tangiert zu werden scheint.

Vor dem zweiten Golfkrieg hatte der Irak 3 Millionen Barrel Rohöl täglich gefördert. Neun Jahre später kann das Regime wieder bis zu 2,6 Millionen Barrel täglich fördern, doch reicht das bei weitem nicht aus, um nur schon die Reparationen zu leisten, die dem Irak durch die UN-Resolutionen auferlegt wurden. Allerdings erreicht der Irak auch diese Fördermenge nur mit Schwierigkeiten, da die Produktionsanlagen völlig überaltert sind und zum Teil während des Krieges zerstört wurden. Reparaturen und Erneuerungen sind kaum möglich, da das Land wegen der Sanktionen viele nötige Importe bisher nicht tätigen durfte. Inzwischen blüht der Schmuggel, von welchem auch die Türkei und andere, nicht-ölproduzierende Nachbarstaaten profitieren.

Aber auch die Ölmultis haben ihre Finger im Spiel. Soeben wurde Shell von den Vereinten Nationen zur Bezahlung einer Busse von 2 Millionen US-Dollar verurteilt: Auf einem von Royal Dutch-Shell gecharterten russischen Tanker war nach chemischen Tests nebst iranischem auch irakisches Öl gefunden worden. Shell behauptet, vom irakischen Öl nichts gewusst zu haben, die Firma sei aber zur Bezahlung der Busse bereit.

(mr)

1 Gemäss ExpertInnen befinden sich im Irak die (nach Saudi-Arabien) zweit-grössten Ölreserven der Welt.

2 Dass die irakische Wirtschaft und damit die Bevölkerung massiv unter den Sanktionen leiden und deswegen sogar viele Todesopfer zu verzeichnen sind, ist unbestritten. Mitte Februar 2000 traten deshalb der UN-Koordinator für die humanitäre Hilfe im Irak und die Vertreterin des UN-Welternährungsprogrammes von ihren Posten zurück. Momentan wird zwischen den USA und diversen Hilfsorganisationen (auch der UNO) darüber gestritten, welchen Einfluss die Sanktionen auf die massiv gestiegene Kin-dersterblichkeitsrate im Irak haben; und ob daran eher die Sanktionen oder Saddam Husseins Innenpolitik und Missmanagement schuld sind. Mehr dazu in: Graham-Brown, Sarah: ´Die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak im zehnten Jahrª, in: inamo Nr. 21, ´Irak: Diktatur und Sanktionenª, Berlin: Frühjahr 2000.


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