Geradliniger Einsatz für Demokratie und Humanität

Mitte April ist August R. Lindt im Alter von 95 Jahren gestorben. Er war eine der bedeutendsten Schweizer Persönlichkeiten des zu Ende gehenden Jahrhunderts. Sein Wirken zeigt auf, dass sich die Schweiz nicht hätte im Isolationismus verrennen müssen.

Von Ruedi Tobler

August R. Lindt war Diplomat in London, Washington, Moskau sowie Delhi, und der erste schweizerische Beobachter bei der UNO in New York, aber auch Delegierter des IKRK — nach Kriegsende im zerstörten Berlin und Ende der 60er Jahre im Sezessionskrieg zwischen Biafra und Nigeria sowie von 1956-60 als UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge tätig. Eine kritische Analyse der humanitären Tradition der Schweiz zeigt, dass diese entgegen der üblichen Rhetorik zumeist nicht offizielle Politik, sondern Wi- derstand gegen diese war. Lindt hat es geschafft, beides miteinander zu verbinden. Dass er dabei nicht nur auf Gegenliebe stiess, versteht sich von selbst. So empörten sich bürgerliche Parlamentarier, dass er als Schweizer Vertreter an der UNO-Menschenrechtskonferenz von 1968 das Apartheid-System moralisch verurteilte.

Wenig erfreut dürfte die Landesregierung kurz darauf gewesen sein, als August R. Lindt als Generalkommissär des IKRK für die Hilfsoperation Nigeria-Biafra so nachhaltig Druck wegen den illegalen Waffenlieferungen der Firma Bührle an Nigeria machte, bis der Bundesrat nicht mehr umhin konnte, gegen diese Firma eine Strafuntersuchung einzuleiten und damit den sogenannten Bührle-Skandal auslöste. Bei der einzigen persönlichen Begegnung wollte er sich selber nicht unbedingt in der Rolle des Skandalauslösers sehen, bestätigte aber, dass er die Existenz der Bührle- Kanonen in Nigeria nach Bern gemeldet habe. Erwähnt hat er diese auch im Buch ´Generale hungern nieª, in dem er die ´Geschichte einer Hilfsaktion in Afrikaª beschrieben hat — ein auch heute noch lesenswertes Dokument.

Darin wird auch die Eigenschaft deutlich, die sein Leben geprägt hat, die Zivilcourage. Während des 2. Weltkrieges beteiligte er sich an der sog. Offiziersverschwörung, welche im Falle einer Kapitulation des Bundesrates vor dem Hitlerregime einen Staatsstreich durchführen wollte und war Mitbegründer des Offiziersbunds und der Aktion Nationaler Widerstand, die sich gegen die Anpassung an Nazi-Deutschland wehrte.

Im Nachruf des Tages-Anzeigers ist zu lesen, August R. Lindt sei ein Diplomat der alten Schule gewesen. Nichts ist falscher als das. Zwar gemahnte sein Auftreten eher an einen englischen Aristokraten als an einen biederen Schweizer. Aber er ist undiplomatisch geradlinig für die humanitären Anliegen eingestanden und auch seine Bücher über die Tätigkeit im diplomatischen Dienst zeigen nicht einen Diploma- ten der alten Schule, sondern eine eigenwillige, für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte engagierte Persönlichkeit. Noch 1987 hat er sich öffentlich gegen den Abbau des Asylrechts eingesetzt. Der Charakterisierung in der NZZ, August R. Lindt sei im Laufe der Zeit immer mehr zu einem moralischen Gewissen des Landes geworden, kann nur beigepflichtet werden. Und so verdient er es, in Erinnerung behalten zu werden.


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