CraG: Gender in Konfliktlösungs-Projekten

Die Schweizerische Friedensstiftung SFS macht mit der feministischen Friedensforschung ernst: Seit 1998 besteht das Projekt ´Conflict Resolution and Gender CraGª, welches zur Hälfte durch den Friedensfonds der Kampagne für den Frieden finanziert wird.

Von Claudia Gähwiler*

Zum CRaG-Projekt der Friedensstiftung gehören neben der Forschungstätigkeit auch die sogenannten ´FrauenRundtisch-Gesprächeª, die auf die erste internationale Frauenkonferenz der OSZE 1997 in Warschau und die damit verbundene Zusam- menarbeit von Friedensstiftung, EDA und Parlamentarierinnen zurückgehen. Die Initiantinnen stellten sich die Frage, wo schweizerische Institutionen international tätig werden können in der Konfliktbear-beitung und der Partizipation von Frauen. Die Ausrichtung auf Projekte innerhalb der OSZE lag auf der Hand: Sie ist die einzige internationale Organisation, in welcher die Schweiz Mitglied ist und die in diesem Bereich aktiv ist. Die seit 1998 von der SFS durchgeführten Rundtische sollen zur Vernetzung von Frauen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und NGO beitragen.

Enttäuschung und Erfolge

Die bei der Friedensstiftung für das Projekt verantwortliche Maren Haartje ist sehr zufrieden mit den bisherigen Treffen, an welchen mit den Wissenschaftlerinnen jeweils rund 20 Frauen aus dem EDA, aus den Gleichstellungsbüros und aus NGO diskutierten, aber auch CVP- und SP-Parlamentarierinnen. Von Anfang an bestand ein intensiver Austausch mit OSZE-Mitarbeite- rinnen. Aus den Rundtischen sind zwei Arbeitsgruppen entstanden. Die eine organisierte Ende Januar die Tagung ´Frauen an den Krisenherdª, die viel Beachtung fand. Vertreterinnen internationaler Organisationen und Wissenschaftlerinnen informierten und diskutierten über geschlechtsspezifischen Aspekte in der Konfliktbewältigung.

Die zweite Arbeitsgruppe hat ein Ausbil-dungsmodul erarbeitet, das zur Sensibilisierung für Genderaspekte in der Konfliktbearbeitung beitragen soll. Zielpublikum sind Teilnehmende an humanitären, exi-stenzsichernden und friedenssichernden Einsätzen im Ausland im Auftrag der Schweiz. Das zweitägige Trainingspro-gramm sah eine intensive Auseinandersetzung mit ´Gender Issuesª im Kontext von Interkulturalität, Kommunikation, Menschenrechten und Sicherheit vor und führte in die Methoden der konstruktiven Kon-fliktbearbeitung ein.

Die Arbeitsgruppe ist jedoch mit ihrem Ausbildungsmodul sowohl beim EDA wie auch beim VBS und der Direktion für Ent-wicklungszusammenarbeit DEZA auf Ablehnung gestossen. Die DEZA verwies auf ihre eigenen Gender-Kurse und das EDA auf ihren Menschenrechtskurs, der aber laut Haartje das Thema Gender nur marginal behandle. Die Expertinnen der Rundtisch-Gespräche reagierten enttäuscht, gerade auch in Anbetracht des unterstützen- den Briefes, den ihnen 1998 die damalige Bundespräsidentin Ruth Dreifuss geschrieben hatte. Aufgrund einer Motion mit der gleichen Stossrichtung, die die CVP-Nationalrätin Ruth Grossenbacher im April 1999 eingereicht hat (und die der Bundesrat unverbindlich positiv beantwortete), wurde eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit diesem Thema befasst.

Als klaren Erfolg der Rundtisch-Gespräche bezeichnet Maren Haartje die Anfangsfinanzierung einer Gleichstellungsbeauf-tragten bei der OSZE in Wien durch die Schweiz. Inzwischen ist diese Stelle ins Budget des OSZE-Generalsekretariats aufgenommen und damit entsprechend aufgewertet worden. Dass kürzlich zum erstenmal eine Frau Chefin einer OSZE-Mis- sion geworden ist, könnte indirekt auch durch das CRaG-Projekt beeinflusst worden sein. Eine von der SFS und dem Frie-densfonds unterstützte Studie der Frie-densforscherin Hanne-Margret Birkenbach über die OSZE-Mission in Estland unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung von Frauen hat die Position der beteiligten Frauen gestärkt; es scheint kein Zufall, dass nun in Estland die erste Missionschefin ernannt wurde.

Gender-Perspektive in der Frühwarnung

Wie's mit den Gesprächen am runden Tisch weitergeht, ist zur Zeit noch offen. In Gesprächen mit dem EDA wurde Haartje das Interesse an der Weiterführung der runden Tische signalisiert, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie thematisch in ein grösseres Projekt eingebunden werden.

Nachdem im vergangenen Jahr das GRaG-Projekt mit einem Budget von 140 000 Franken und 150 Stellenprozenten ausgestattet war, läuft es in diesem Jahr auf Sparflamme. Der Friedensfonds ist aufgrund der zurückgegangenen Spenden nicht mehr in der Lage, weiterhin so hohe Unterstützungsbeiträge an die SFS zu leisten. Zudem will er vermehrt auch wieder andere, kleinere Projekte im Bereich Frau-enfriedensforschung finanzieren.

Eine mögliche Perspektive für das CRaG-Projekt ist eine Vernetzung mit dem an der Universität Basel geplanten Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) Gender. Entsprechende Gespräche mit der verantwortlichen Professorin Regina Wecker haben stattgefunden, noch ist aber nicht entschieden, ob der NFS Basel das Auswahl- verfahren übersteht.

Im Sinne des ´Gender-Mainstreamingª soll aber in Zukunft vermehrt die Geschlechterperspektive auch in andere Projekte der Friedensstiftung einfliessen, beispielsweise in das von der DEZA finanzierte Frühwar-nungsprojekt FAST (Frühanalyse von Spannungen und Tatsachenermittlung). Susanne Schmeidl verfasst derzeit bei der SFS in Zusammenarbeit mit der britischen NGO ´International Alertª eine Studie über die Rolle von Gender im Bereich der Frühwar-nung.

Schmeidl betont die Bedeutung der Ge-schlechterperspektive in der Frühwarnung, da sie den Blick öffne auf soziale Hierarchien, die zu Unterdrückung und Konflikten beitragen. Ein für das Geschlechterverhält-nis sensibilisierter Focus kann Veränderungen auf der Micro-Ebene (wie z.B. in der Familie) wahrnehmen, welche auf Probleme auf der Macro-Ebene einer Gesellschaft deuten können. ´Gewalt wird immer zuerst gegenüber den Schwächsten ausgeübt, und das sind in den meisten Fällen Frauen, Kinder und Minderheitenª, erläutert Schmeidl, ´zunehmende häusliche Gewalt kann also ein Indikator für die Frühwarnung sein.ª Eine Gender-Perspektive untersucht auch spezifische Situationen von Männern: Beispielsweise kann eine grosse Anzahl junger Männer, die im zivilen Bereich einer Gesellschaft keine Arbeits- und Entfaltungsmöglichkeiten finden, zu einem grossen Potential für
Armeen und paramilitärischen Bewegungen werden.

´Der Einbezug von Frauen als Forscherinnen und Planerinnen in den Bereich Frühwarnung und Konfliktprävention ist sehr wichtigª, sagt Schmeidl. Nicht weil Frauen qua Geschlecht eine besondere Affinität zu Frieden und Gewaltlosigkeit hätten, sondern weil sie andere Dinge sähen, manche Sachverhalte anders interpretierten und darum auch andere Lösungvorschläge präsentierten. Doch die Friedens- bzw. Konfliktforschung ist immer noch eine Män-nerdomäne. Schmeidl ist des öfteren damit konfrontiert, dass ihre Kompetenz als Forscherin (Frau und jung) angezweifelt wird. Doch manchmal (z.B. in ihrer Arbeit zu Pakistan) können sexistische Vorurteile auch unterlaufen und positiv ausgenutzt werden: ´Weil Frauen als unwichtig, friedfertig und neutral gelten, können sie manchmal mehr erreichen als Männer, erhalten besseren Zugang zu Informationen.ª

* Claudia Gähwiler ist Historikerin und war Redaktorin der Zeitschrift ´mosquitoª.




Kein Erfolg ohne Quoten

Patricia Barandun ist soeben aus Sarajevo zurückgekehrt. Während sechs Monaten war sie Praktikantin bei der OSZE-Mission in Bosnien-Herzegowina und hat dort für ´Women Can Do Itª gearbeitet. Dieses aus Norwegen importierte Empowerment-Projekt wurde von bosnischen Trainerinnen im Auftrag der OSZE in 150 Gemeinden durchgeführt. Das Ziel lag darin, möglichst viele Kandidatinnen aller politischer Parteien für die Gemeindewahlen im April 2000 vorzubereiten.

Bei der Schweizerischen Friedensstiftung SFS ist Barandun seit November 1998 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und befasst sich mit der Rolle der Frauen im Friedensprozess im ehemaligen Jugoslawien. Ihre Forschungsarbeit ist Teil des SFS-Projekts ´Conflict Resolution and Genderª CRaG und wird im wesentlichen durch den Friedensfonds der ´Kampagne für den Friedenª finanziert. 1999 stellte Baran-dun in einem Arbeitspapier die Aktivitäten von Frauen(gruppen) gegen Krieg und Nationalismus dar und stellte die Hypothese auf, dass es nicht zwingend einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen feministischem Bewusstsein und der Opposition von Frauen gegen Ethno-Nationalismus. Als nächsten Schritt wollte sie die Zusammenhänge und Schnittstellen zwischen den Tätigkeiten der Aktivistinnen und dem ´offiziellenª, durch das Dayton-Abkommen vorgegebenen Friedensprozess erforschen. Ein Einsatz bei der OSZE schien naheliegend, da sich diese direkt und konkret mit ziviler Konfliktbearbeitung und der politischen Partizipation von Frauen befasst.

´Bei den ersten Gesamtwahlen in Bosnien und Herzegowina (BiH), die 1996 von der OSZE geplant, organisiert und durchgeführt wurden, betrug der Frauenanteil im Abgeordnetenhaus nur noch 2,4 Prozentª, erläutert Barandun die Ausgangslage. Die Zahl sei gegenüber den ersten demokratischen Wahlen von 1990 nochmals um ein halbes Prozent gesunken. (Zum Vergleich: Im sozialistischen System jugoslawischer Prägung lag der Frauenanteil im bosnischen Parlament 1986 bei 24,1%.) ´Trotz weitgehender Befugnisse der OSZE in der provisorischen Wahlkommission, die die Wahlbestimmungen für die Gesamtwahlen von 1996 ausgearbeitet hat, hat die OSZE ihr Mandat geschlechtsneutral umgesetzt und damit die demokratische Forderung nach Partizipation von Frauen am Friedensprozess nicht eingelöstª, stellt Patricia Barandun fest. Auf Druck bosnischer Aktivistinnen startete die OSZE 1997 das ´Women in Politics Programª, das mit Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen versuchte, die Ausgangslage für die Frauen im Hinblick auf die Wahlen von 1998 zu verbessern. Den engagierten Frauen gelang es, eine Geschlechterquote bei den Wahllisten durchzusetzen, die drei der ersten neun Listenplätze für Frauen reservierte. Das Resultat war ein Frauenanteil von 26 Prozent im neu gewählten Abgeordnetenhaus von BiH.

Dank der Unterstützung der OSZE erhöhte sich also der Frauenanteil in den Legislativen von Bosnien und Herzegowina massiv. ´Die Präsenz von internationalen Akteuren in Transitionsländern bietet eine einmalige Gelegenheit, die politische Partizipation von Frauen in diesen Ländern zu erhöhenª, lautet die These von Barandun. Für sie ist die Frage von Bedeutung, inwiefern die OSZE diesen Prozess selbst ausgelöst und geplant hat oder ob sie nur die Zivilgesellschaft vor Ort, die Aktivistinnen, in ihren Bemühungen unterstützt hat. Im Hinblick auf die Situation in anderen Transitionsländern sei die Identifikation der Strategie wichtig, um solche Prozesse institutionalisieren zu können. An diesem Punkt will sie denn auch in ihrer weiteren Arbeit ansetzen, mit dem Ziel, für die OSZE eine konkrete Strategie zur Förderung der politischen Partizipation von Frauen in Transitionsländern auszuarbeiten. Sie wird allerdings nur noch drei Monate durch den Friedensfonds finanziert und muss sich dann einen neuen Rahmen für die Weiterführung ihrer Forschung suchen.


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