Der Schweizerische Friedensrat SFR ist kritisiert worden, weil er schon früh seine Skepsis gegenüber einem Referendum zur Militärgesetzrevision signalisiert hat. Die Haltung des SFR ergibt sich weniger aus der Analyse der Vorlage, sondern vor allem aus der Gewichtung der friedenspolitischen Prioritäten der kommenden Jahre.
Ruedi Tobler*
Bedauerlicherweise hat Bundesrat Ogi mit der Teilrevision des Militärgesetzes für die Bewaffnung von Schweizer SoldatInnen im Ausland eine Nebenfrage aus dem Gesamtzusammenhang der Neuorientierung der Sicherheitspolitik herausgebrochen. Dankbar hat die AUNS diesen Vorstoss aufgegriffen und macht daraus eine Schicksalsfrage für das Fortbestehen der neutralen Schweiz. Diesem Zusammenspiel ist es gelungen, die Neuorientierung der Sicherheitspolitik in den Hintergrund und eine militärische Frage in den Vordergrund zu rücken. Sollen wir da mitspielen und mit einem Referendum die Bestätigung liefern, dass die Frage der bewaffneten Ausland-einsätze wichtiger ist als die Diskussion um die Neuausrichtung der Sicherheitspolitik?
Der Vorstand des SFR ist der Meinung, wir sollten unsere Kräfte auf die zahlreichen anstehenden Fragen konzentrieren, die uns wichtiger erscheinen. Aus Platzgründen können diese hier lediglich aufgezählt werden:
Dies ist keine Distanzierung von den Versuchen, die Teilrevision des Mitärgesetzes in den parlamentarischen Verhandlungen zu beeinflussen und zu verbessern. Aber für ein Referendum braucht es mehr als eine mittlere Unzufriedenheit. Was ist, falls letztlich keiner der nachstehenden Anträge für eine Verbesserung der Vorlage im Ständerat durchkommt?
Zwingendes Mandat von UNO oder OSZE: Diese Forderung erscheint auch dem SFR als wichtigster Punkt in dieser Debatte. Deren Fehlen in der Vorlage zu einem Vorentscheid bezüglich eines allfälligen Beitritts-Entscheids der Schweiz zur NATO hochzustilisieren, ist jedoch übertrieben. Weder ist mit der Version des Nationalrates ein erster Schritt Richtung NATO vollzogen, noch würde eine einschränkendere Formulierung allein auf ein UNO- und OSZE-Mandat dem NATO-Beitritt einen Riegel schieben. Das Beispiel der bilateralen Verhandlungen mit der EU hat deutlich gezeigt, wie schnell selbst eine Verfassungsbestimmung wie der Alpenschutzartikel relativiert ist, wenn der Bundesrat eine internationale Vereinbarung erzielen will.
Beschränkung auf friedenserhaltende Einsätze: Selbstverständlich ist auch der SFR-Vorstand nicht erpicht auf die Beteiligung der Schweiz an möglichst vielen militärischen Einsätzen. Aber heisst diese Beschränkung auch, dass wir beim Beitritt der Schweiz zur UNO ebenfalls eine solche Beschränkung verlangen werden? Und sind im Rahmen eines funktionierenden Systems der kollektiven Sicherheit ausschliesslich friedenserhaltende Einsätze denkbar?
Bewaffnung nur zum Selbstschutz: Was bedeutet Selbstschutz? Welche Waffen hätten die UNO-Soldaten in Sierra Leone gebraucht, um verhindern zu können, als Geiseln genommen zu werden? War die UNO-Schutzzone in Srebrenica ein friedenserhaltender Einsatz? Und welche Bewaffnung hätten die UNO-Soldaten zu deren Schutz gebraucht? Oder heisst Selbstschutz zuzuschauen, wie die Zivilbevölkerung niedergemacht wird? Setzt sich die Ten- denz, dass die Soldaten im Krieg die am besten geschützten Menschen sind, auch in friedenserhaltenden Einsätzen der UNO fort?
Welche Überzeugungskraft hat angesichts der hier skizzierten Fragen ein friedenspolitisches Referendum gegen die Teilrevision des Militärgesetzes? Der Vorstand des SFR ist der Ansicht, dass es in der nächsten Zeit genug andere Fragen gibt, in denen unser voller Einsatz gefordert ist.
*Ruedi Tobler ist Präsident des Schweizerischen Friedensrates. An der SFR-Jahresversammlung vom 1. Juli in Zürich (siehe Agenda S. 37) wird ein Papier des Vorstandes zur Diskussion stehen, in dem die hier angesprochenen Themen weiter ausgeführt sind. Interessierte können es mit den Unterlagen für die Jahresversammlung bestellen.
1 Siehe Andreas Hostettler (SFR) in FriZ 6/99 und die Replik von Nico Lutz (GSoA) in der FriZ 2/00.
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