Die Welthandelsorganisation schützt die Kriegsindustrie mittels einer "Sicherheits-Ausnahme" im Allgemeinen Abkommen über Zölle und Handel (GATT General Agreement on Tariffs and Trade, Art. 21), welche den Regierungen freie Hand lässt für alle Massanhmen, die im Namen der nationalen Sicherheit erfolgen. Darin heisst es, dass ein Land nicht von einer Massnahme abgehalten werden darf,
die es zum Schutz seiner wesentlichen
Sicherheitsinteressen als nötig erachtet; ausdrücklich erwähnt werden "Massnah-men im Zusammenhang mit dem Handel mit Waffen, Munition und Kriegsgerät sowie dem Handel mit anderen Gütern und Materialien, wenn er unmittelbar
zur Versorgung einer militärischen Einrichtung dient oder wenn er in Kriegszeiten oder einem anderen Notfall der internationalen Beziehungen erfolgt". Artikel 21 ist die folgenschwerste Ausnahmebestimmung im Welthandelsabkommen, weil die Regierungen ihre "wesentlichen Sicherheitsinteressen" selbst bestimmen und ihre Ziele durchsetzen können,
wenn sie sie in diesen Begriff hüllen.
Indem sie die Kriegsindustrie gegen die Herausforderungen des Welthandels abschirmt, führt die "Sicherheits-Ausnahme" zu einer Stimulierung der staatlichen Militärausgaben und zu einer Militarisierung der Wirtschaft. Die Gefahr besteht, dass Regierungen nur auf dem Weg über die Militärausgaben in der Lage sein werden, die Schaffung von Arbeitsplätze, neuen Industrien oder High-Tech-Unternehmen zu fördern.
Es gibt Beweise dafür, dass dies bereits geschieht: 1999 entschied ein WTO-Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und dessen "Technology Partnerships Canada Program", mit dem die einheimische Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie subventioniert wurde. Das Programm wurde unter anderem vom Un- ternehmen Bombardier Aerospace genutzt, um Passagierjets für den Regio-nalflugverkehr zu bauen und zu exportieren. Doch die WTO entschied, dass die nicht-militärischen Subventionen ungerecht seien, und untersagte sie.
Die kanadischen Luftfahrt- und Verteidi-gungsunternehmen, die sowohl zivile wie militärische Flugzeuge bauen, fürchteten schon, dass sie wegen des WTO-Entscheids ihre Subventionen verlieren würden, doch die kanadische Regierung gestaltete das Programm kurzerhand WTO-freundlich um. Um keine weitere WTO-Anfechtung zu riskieren, kündigte das Verteidigungsministerium im Oktober 1999 ein Subventionsprogramm für Waffenhersteller an, das jährliche Zuschüsse von 30 Millionen US-Dollar für die Entwicklung neuer Waffen vorsieht. Dieses neue Programm wird von der WTO nicht angefochten, weil es unter die "Sicherheits-Ausnahme" des GATT fällt. Auf diese Weise kann die militärische Produktion von Bombardier Aero-space subventioniert werden.
Dank dieser "Sicherheits-Ausnahme" kann jede Regierung auf der Welt weiterhin Rüstungskonzerne subventionieren, von denen einige zu den grössten Multis der Welt gehören.
Das WTO-Ziel eines weltweiten freien Marktes hat zu Handelsbestimmungen geführt, die es einer Regierung verun-möglicht, auch politische, soziale oder ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen beim Entscheid, was oder bei wem sie einkauft. Diese Handelsbestim-mungen können eingesetzt werden, um zu verhindern, dass Regierungen Werkzeuge wie z.B. wirtschaftliche Sanktionen zur Förderung von Frieden und Menschenrechten einsetzen. Wie etwa im Falle von Burma (Myanmar), wo Menschenrechts-Organisationen schon seit langem Wirtschaftsmassnahmen gegen die Regierung fordern.
Amnesty International hat Burmas Militärregierung immer wieder wegen grausamer Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Friedens- und Menschenrechts- aktivistInnen haben sich dafür eingesetzt, dass westliche Regierungen Sanktionen gegen Burma erlassen, um demokratische Reformen zu erzwingen. 1996 konnten sie endlich einen Erfolg verzeichnen, als der US-Bundesstaat Massachusetts (ebenso wie 20 weitere Gemeinden und Bezirke in den USA) ein Gesetz verabschiedete, das Firmen, die mit Burma Geschäfte machten, von Regierungsaufträgen ausschloss.
Das neue Gesetz war vergleichbar mit den Anti-Apartheid-Gesetzen, welche Massachusetts in den 80er Jahren gegenüber Südafrika beschlossen hatte. Doch heute können solche Regie-rungserlasse angefochten und die WTO dazu benutzt werden, Konzerninteressen zu schützen. Sowohl die Europäische Union als auch Japan fochten die Gesetzgebung Massachusetts als Verletzung des WTO-Abkommens über Regierungsbeschaf-fungen (government procurement) an, da Burma und Firmen, die mit Burma Geschäfte machten, ungerechtfertigt diskriminiert würden.
VerfechterInnen der Globalisierung argumentieren, dass die Globalisierung letztlich zu einer Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen führen werde. Dem widerspricht unter anderen die UNO: Die UNO-Men-schenrechtskommission ist überzeugt, dass "die vorherrschende Sicht, dass internationale Handelsliberalisierung und -deregulierung mittels Wachstum die beste Garantie für ökonomische und soziale Rechte bietet, durch die Fakten Lügen gestraft wird."
Frieden wird erreicht durch gemeinsame Sicherheit für alle Menschen und alle Nationen eine Sicherheit, die auf ausreichend Wohnraum und Nahrung, grundlegender Bildung, anständiger Gesundheitsversorgung und einer sau-beren Umwelt beruht. Doch die WTO-Schiedsgerichte haben Mal für Mal die Kriterien saubere Luft, sichere Nah-rungsversorgung, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltgesetzge-bungen abgeschmettert. Offensichtlich arbeitet die WTO gegen friedensbildende Initiativen und fördert und belohnt in Wirklichkeit Kriegsvorbereitungen.
*Steve Staples ist Mitglied des "Rats der KanadierInnen" und Vorsitzender des "Internationalen Netzwerks fürInhaltsübersicht | nächster Artikel |