Ein Leben für die Politik

"Das einzige, das ich während meinem ganzen Leben durchgezogen habe, ist das Sammeln von Unterschriften. Sonst habe ich nicht den Eindruck, dass ich viel gemacht habe…" Spricht's und nimmt ein Fotoalbum zur Hand, das mit einer "Friedentaube" markiert ist. Darin hat Trudi Weinhandl, schön säuberlich geordnet, Aufnahmen von den Aktivitäten von sieben Friedensorganisationen gesammelt, bei denen sie dabei war. Das ist aber nur eines von mehreren Alben, die sie zur Dokumentation ihres politischen Lebens besitzt. Und mit Fotografieren hat Trudi Weinhandl auch erst vor 20 Jahren begonnen…

Bereits nach ihrem ersten Satz muss der Schreibende also lächeln, kannte er selbst doch Trudi Weinhandl von mindestens drei Vereinen ausserhalb der Friedensbewegung, bevor er sie vor zwei Jahren am Gartenhof wiedertraf – von wegen "nicht viel gemacht"…

Kurz zusammengefasst: Trudi Weinhandl war und ist politisch aktiv. Bis zu ihrer Pensionierung drehte sich vieles um ihre berufliche Tätigkeit ("Mein Beruf und dass ich mein eigenes Geld verdient habe, war mir immer wichtig"), denn selbstverständlich war die gelernte Verkäuferin Trudi Weinhandl nicht nur während der Arbeitszeit tätig, sondern sie engagierte sich z.B. auch im Kaufmännischen Verband Zürich oder in der SP. Und eben: Sie sammelte immer Unterschriften für Initiativen; "fast süchtig" sei sie danach gewesen, weil sie einfach gern "schnörre" und mit Menschen zu tun habe.

Wie aber ist Trudi Weinhandl "auch noch" zur Friedenspolitik gekommen? "Eigentlich schon als Kind," erklärt sie. Bei den Roten Falken, der Jugendorganisation der ArbeiterInnenbewegung, habe es damals eigentliche Friedenserziehung gegeben. "Dazu gehörte auch das Kinderfest, das jeweils als Anti-Knabenschiessanlass im Kinderhaus Mösli bei Zürich stattfand, und das in den letzte Jahren wieder aufgelebt ist" Gerold Meyer, "spiritus rector" der Roten Falken, sei ja selbst ein Militärdienstverweigerer gewesen und habe deshalb Friedenpolitik als wichtig angesehen: "Keine Uniformen, keine Abzeichen, keine Hierarchie, kein Einzelkämpfertum – die Roten Falken wollten sich abheben von den übrigen, militärisch angehauchten Jugendorganisationen wie zum Beispiel den Pfadfinder." Ausserdem hätten sie in der Schule einen Lehrer als abschreckendes Beispiel gehabt, erinnert sich Trudi Weinhandl. "So einen Militärromantiker", der ihnen etwa just zurzeit von Hitlers Angriff auf Russland von Napoleons Moskau-Feldzug vorgeschwärmt habe.

Der zweite Zugang zur Friedensbewegung sei der über ihre Familie gewesen: "Ich bin sozusagen aufgewachsen mit dem Ragazschen Gedankengut. Immer wieder wurde in meiner Umgebung von Ragazens berichtet, sowohl von Leonhard wie von Clara Ragaz." Erst Mitte der 80er Jahre aber ist Trudi Weinhandl auch Mitglied der religiössozialen Bewegung geworden und so wieder ins Ragaz-Haus an der Gartenhofstrasse gekommen, in dem sie das letzte Mal bei einem Anlass der Roten Falken fast fünf Jahrzehnte früher gewesen war.

Vor allem Clara Ragaz hat es Trudi Weinhandl angetan: "Meine Grossmutter, die Textilarbeiterin war, hat selbst Vorträge von Clara Ragaz besucht und davon erzählt." Vor einigen Jahren hat sie angefangen, Nachforschungen über das Leben der grossen Pazifistin anzustellen. Herausgekommen ist dabei eine dicke Dokumentation über das Wirken von Clara Ragaz: "Von und über Leonhard Ragaz gibt es so viele Bücher, aber von ihr existiert noch heute kaum etwas Schriftliches." Die Überarbeitung und Ergänzung ihrer Broschüre ist eine der Aufgaben, die sich Trudi Weinhandl für die nächste Zeit vorgenommen hat. Neben einem zweiten Projekt: "Eine Publikation mit Texten von, nicht nur über Clara Ragaz!"

Friedenspolitisch aktiv war Trudi Weinhandl ausserdem bei den Frauen für den Frieden, bei der Internationalen Frauenliga für den Frieden (IFFF), bei der WILPF und bei der Schweizerischen Friedensbewegung in Basel, deren Zeitschrift "Unsere Welt" sie bis vor einigen Jahren ebenso verteilte wie heute noch die "Friedenspolitik". Jetzt sei sie nur noch im Vorstand des "Mösli", erzählt sie fast stolz. Dadurch bleibt ihr mehr Zeit für wechselnde Aktivitäten: für eine Unterschriftensammlung hier, für die Mithilfe bei einem Versand dort, und fast jedes Mal bringt sie dann auch einen selbstgebackenen Kuchen mit… Aber sie hat auch mehr Zeit für eigene Veranstaltungen, wie zum Beispiel die Führung durch den Friedhof Sihlfeld, bei der Trudi Weinhandl im April auf die Spuren dort begrabener Persönlichkeiten hinweisen wird – siehe Agenda in dieser FriZ!

(db)


Inhaltsübersicht nächster Artikel