Konfliktursachen bearbeiten statt Auswirkungen abwehren

Bundesrat Ogi will uns glauben machen, es gehe bei der Militärgesetzrevision um die Öffnung der Schweiz und um die Frage, ob sich die Schweiz an einer internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik beteiligt. Das ist falsch. Auch wir sind der Meinung, dass die Schweiz verstärkt zur Bearbeitung internationaler Konflikte beitragen muss. Die Fragen lauten aber: Wie soll sich die Schweiz beteiligen? Welche Öffnung wollen wir? Wem gilt unsere Solidarität?

Von Franziska Teuscher*

Eine zukunftsfähige Konfliktpolitik bedeutet, sich um die Ursachen von Konflikten zu kümmern und nicht die Auswirkungen von Konflikten möglichst effizient von der Schweiz fernzuhalten. Wenn ich die Botschaft des Bundesrates lese, dann wird als zentrales Argument für die Militärgesetzrevision aufgeführt: Bewaffnete Auslandeinsätze seien in unserem Interesse, denn so gelänge es die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Der Trend in Richtung globaler Interessenpolitik und entsprechend repressivem Konfliktmanagement hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Wenige reiche Länder des Nordens – die NATO-Staaten – entscheiden, wie und wo auf dieser Erde bei welchen Konflikten eingegriffen wird. Die NATO will nicht mehr Verteidigungsbündnis sondern die weltweite Sicherheitsorganisation fürs 21. Jahrhundert sein und hat ihren Vertrag entsprechend angepasst. Die UNO, die zumindest noch die Hoffnung auf eine globale Konfliktpolitik verkörpert, die auf einem – wenn auch unvollkommenen – internationalen Rechtssystem beruht, wurde marginalisiert. Mit der vorliegenden Gesetzesrevision setzt der Bundesrat klar auf die falsche Karte, nämlich auf die NATO und damit auf eine Konfliktpolitik im Interesse der wenigen reichen NATO-Staaten.

Statt NATO-Liebäugelei braucht es Solidarität mit den Konfliktbetroffenen

Die Grüne Fraktion hingegen fordert von der Schweiz eine Politik, die sich um die Ursachen von Konflikten kümmert. Das heisst:

• ein deutlicher Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe. Kein europäisches Land gibt soviel für militärische Landesverteidigung und sowenig für Entwicklungszusammenarbeit aus.

• ein deutlicher Ausbau der Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung. Mit der Initiative für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst liegt ein konkreter Vorschlag vor.

• mehr Engagement der Schweiz für gerechtere Wirtschaftsbeziehungen.

• eine menschlichere Flüchtlingspolitik statt unsolidarische Flüchtlingsabwehr.

• und endlich ein UNO-Beitritt der Schweiz sowie ein grosses Engagement der Schweiz in der UNO für eine Stärkung der zivilen Konfliktpolitik.

Ein verstärktes Engagement der Schweiz für eine zivile Konfliktpolitik und zum Abbau der Konfliktursachen, darin bestünde die wirkliche Herausforderung. Schauen wir uns doch die Fakten an:

• Es war auf der ganzen Welt nicht möglich, im Herbst 1998 2000 zivile OSZE-BeobachterInnen zu finden, als es darum ging, die Eskalation der Gewalt im Kosov@ frühzeitig zu verhindern.

• Die UNO muss bei ihren Mitgliedstaaten immer noch um 2,5 Milliarden Dollar betteln, um im laufenden Jahr 34 Millionen Menschen das elementarste Menschenrecht – das Recht auf Existenz –sichern zu können. Das ist weniger Geld, als an einem einzigen Tag weltweit für Militär ausgegeben wird.

Was die Welt von der Schweiz am wenigsten braucht, sind Soldaten. Was sie am dringendsten braucht, sind mehr Ressourcen und mehr politischer Wille zivilpolitische Instrumente zur Verfügung zu stellen zur Früherkennung, Prävention und Deeskalation von Konflikten sowie zum Abbau der Gewaltursachen. Dazu muss die Schweiz einen stärkeren Beitrag leisten!

Echte Alternative zu zwei falschen Optionen

Der friedenspolitischen Seite wurde verschiedentlich vorgeworfen, sie schliesse mit der nationalkonservativen Rechten eine unheilige Allianz. Wir haben keine Allianz geschlossen. Wenn wir nicht mit Herrn Ogi auf NATO-Kompatibilität zusteuern wollen, so heisst das noch lange nicht, dass wir uns mit der AUNS auf die Rütliwiese zurückziehen werden. Sowohl bewaffnete Neutralität wie sie die AUNS verteidigt, wie auch bewaffneter Interventionismus, wie ihn Bundesrat Ogi vorschlägt, sind für uns falsche Optionen. Wir wollen eine solidarische Alternative: zivile Solidarität. Aus diesen Gründen hat die Grüne Fraktion in Nationalrat den Antrag gestellt, auf das Gesetz nicht einzutreten. Und aus diesen Gründen werde ich – falls der Ständerat nicht wesentliche Verbesserungen am Gesetz anbringt – auch ein friedenspolitisches Referendum unterstützen.

*Franziska Teuscher ist Nationalrätin des Grünen Bündnis Bern. Beim Text handelt es sich um das leicht überarbeitete Votum, das sie am 14. März 2000 anlässlich der Debatte zur Militärgesetzrevision im Nationalrat hielt.

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