aktuell 2 aus 2/2000

Der Bund muss eine Integrationspolitik entwickeln

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Integrationspolitik in der Schweiz keinen Stellenwert hat, so hätte ihn die Krise um die EKA (Eidgenössische Kommission für Ausländerfragen) nicht drastischer liefern können.

Von Ruedi Tobler*

Da tritt die Mehrheit der beratenden Kommission des Bundesrates für "Ausländerfragen" – allen voran Präsident und Vizepräsidentin –zurück, weil der Bundesrat die Kommission völlig desavouiert und zeigt, dass für ihn die Integrationspolitik kaum von Bedeutung ist. Die Rücktritte sorgen für einige Schlagzeilen, aber eine öffentliche Diskussion über die Integrationspolitik lösen sie nicht aus. Und dass die zuständige Bundesrätin das Problem zur personalpolitischen Frage herunterspielt und mit einer umgehenden Neubesetzung des Präsidiums zu überspielen und gleichzeitig abzuschieben versucht, vermag auch nicht mehr als ein paar Fragezeichen auszulösen.

Dabei geht es um eine der zentralsten gesellschaftspolitischen Fragen der Gegenwart und noch mehr der Zukunft: Schafft es die Schweiz (wie auch andere Länder), die durch die Dynamik der Globalisierung der Wirtschaft und als Folge einer nur in Ansätzen bestehenden weltweiten politischen Friedensordnung wild durcheinander gewirbelten Menschen zu einer Gesellschaft des friedlichen Miteinanders zu formieren?

Kein Geld, …

Erst seit dem letzten Oktober verfügt der Bund über eine explizite gesetzliche Grundlage für eine Integrationspolitik. Sie musste bei der letzten Revision des ANAG (Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer) hart erkämpft werden und wäre beinahe an der seit 1995 in der Bundesverfassung verankerten "Ausgabenbremse" gescheitert.

Was hat zum Eclat in der EKA geführt? Sie hatte beantragt, gestützt auf den Integrationsartikel ab diesem Jahr einen jährlichen Kredit von 15 Millionen Franken zu sprechen. Der Bundesrat hat die Summe auf einen Drittel zusammengestrichen und sie erst für das kommende Jahr vorgesehen. Zudem hat er das Sekretariat der EKA entgegen dem Kommissionsantrag ins BFA (Bundesamt für Ausländerfragen) eingegliedert. An der Spitze dieses Bundesamtes steht der ehemalige Chef der Bundespolizei, Peter Huber, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Fichenaffäre auf diesen Posten abgeschoben wurde.

… falsches Amt, …

Der Bundesrat verweigert nicht nur die finanziellen Mittel für die Integrationspolitik. Mit der administrativen Unterordnung signalisiert er auch Kontinuität statt Neubeginn: Das BFA steht für Kontrolle und Überwachung, nicht für Kooperation und Integration. Und eine absolute Zumutung für die AusländerInnen ist dessen Chef Peter Huber. Denn die Fichenaffäre war eigentlich vor allem ein Skandal der AusländerInnenpolitik: Gemäss PUK-Bericht betrafen zwei Drittel der rund 900 000 Fichen AusländerInnen, bei der "Fotosammlung" gar über 90 Prozent – darunter "Passfotos von der Fremdenpolizei".

Herr Huber hat Ende Januar an einer Tagung des Städteverbandes den "Abbau von Feindbildern" bezüglich seiner Person eingefordert – eher ein Zeichen von Arroganz als von Einsicht. Am gleichen Anlass hat er sich auch fachlich disqualifiziert. Bevor Beiträge für Integrationsprojekte gesprochen werden könnten, müsste darüber mehr bekannt sein und Prioritäten geklärt werden. Als ob nicht schon verschiedene Städte Integrationsleitbilder erarbeitet und diskutiert hätten.

… verständnislose Chefin?

Die hauptsächliche Fehlbesetzung scheint aber nicht einmal Herr Huber zu sein, sondern seine oberste Chefin, Bundesrätin Metzler: Sie zeigt keinerlei Gespür für die politische Dimension der ganzen Angelegenheit, sondern glaubt, diese technokratisch durch die Neubesetzung des Präsidiums erledigen zu können. Die übrigen Kommissionsmitglieder will sie vorläufig nicht ersetzen. Und durch ihren Pressesprecher liess sie zur Zusammensetzung der EKA erklären, es sei keineswegs klar, dass "auch die Ausländergemeinschaften dazu gehören müssten" (Bund, 28. Januar 2000). Welches Verständnis von Integration steckt da dahinter?

Wichtiger als personalpolitische Entscheide wäre es allerdings, die Integrationspolitik auf eine solide menschenrechtliche Basis zu stellen. In einem Offenen Brief an den Bundesrat hat der Schweizerische Friedensrat deshalb im Januar gefordert, die Schweiz solle der UNO-Konvention über die "Wanderarbeitnehmer" und den beiden Europaratskonventionen über die "Wanderarbeitnehmer" und die "Beteiligung von Ausländern am öffentlichen Leben auf lokaler Ebene" beitreten und das 4. Zusatzprotokoll zur EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) ratifizieren.

*Ruedi Tobler ist Mitglied des Forums gegen Rassismus.

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