Bei seiner Gründung 1971 war das Forum noch ein Managementseminar unter vielen. Mittlerweile gehört es zu den wichtigsten "Think Tanks" der internationalen Wirtschaftslobby. Ohne jede politische Legitimation werden im informellen Rahmen Themen von grossem öffentlichem Interesse behandelt. Die Anwesenheit von hochrangigen Delegationen dieses Jahr gibt sich gar US-Präsident Bill Clinton die Ehre verleiht dem Treffen eine weit über den blossen Meinungsaustausch hinausreichende Bedeutung und sichert dem Management der Grosskonzerne direkten Einfluss auf die internationale Politik.
Bei der weltweiten Durchsetzung der schrankenlosen Marktlogik und in den Globalisierungsprozessen der letzten 15 Jahre übernahm das Treffen immer wieder eine Vorreiterrolle. Sowohl während der Uruguay-Runde des GATT, die zur Gründung der Welthandelsorganisation WTO führte, als auch in der Vorbereitung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, erfolgten entscheidende Anstösse in Davos. Aber auch der forcierte Umbau der osteuropäischen Gesellschaften oder die deutsche Wende und Wiedervereinigung wurden hier angedacht und mediengerecht abgefeiert.
Von seinem Hauptsitz in Genf aus unterhält das Forum zudem ein Netz von regionalen und internationalen Treffen sowie eine exklusive elektronische Kommunikations-Infrastruktur. Die Welt als eine grosse Familie und die Forums-OrganisatorInnen und -TeilnehmerInnen als "Global leaders", das ist der Geist von Davos. Oder wie es im Einführungstext zum diesjährigen Programm heisst: "The opinion-leaders and decision-makers who gather in Davos have both the will and the position to make a difference."
Doch die Politik, für die das WEF steht (Liberalisierung, Deregulierung, Globalisierung) hat nicht nur die Kluft zwischen Nord und Süd, Reich und Arm weiter wachsen lassen. Wie das Scheitern der WTO-Milleniumsrunde in Seattle und die weltweiten Proteste dagegen deutlich machten, stösst sie auch immer mehr auf Widerstand. Nach der Asienkrise und dem Scheitern des MAI stand denn auch schon letztes Jahr die "Humanisierung der Globalisierung" zuoberst auf der Traktandenliste. Die Frage war, wie die nötige Akzeptanz wiederhergestellt werden kann: "What is the best strategy to overcome fears?"
Seit Jahren nutzten Basisorganisationen das Forum als Plattform, um auf die verheerenden Folgen neoliberaler Politik aufmerksam zu machen (z.B. auf den Krieg in Kurdistan oder auf den Aufstand in Chiapas). Bereits zum dritten Mal in Folge mobilisierte das überregionale Anti-WTO-Bündnis dieses Jahr zu einer Demo in Davos. Die Behörden verweigerten jedoch kurz vor Redaktionsschluss dieser FriZ eine Bewilligung und kündigten an, das Demoverbot mit noch grösserem polizeilichem Aufwand als im letzten Jahr durchsetzen zu wollen.
Einen anderen Weg beschritten erstmals umweltpolitische und entwicklungspolitische NGO: Auf Initiative der Erklärung von Bern (EvB) wurden einige ihrer VertreterInnen an das Forum eingeladen, wo sie eine kritische Sicht einbringen wollten.
(dw)
Während sechs Tagen treffen sich Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Politik jeweils am Weltwirtschaftsforum in Davos zu Gesprächen über Themen von globaler Bedeutung unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei ist wenig bekannt, welche weitreichenden Entwicklungen an diesem riesigen Anlass vorgespurt werden, von der WTO bis zum nordamerikanischen Handelsabkommen NAFTA. Die Erklärung von Bern kritisiert den exklusiven Charakter des Weltwirtschaftsforums und fordert, dass der Davoser Gipfel transparenter wird. Zusammen mit Partnerorganisationen aus dem In- und Ausland hat die EvB das Davos-Projekt lanciert und setzt sich dafür ein, dass die Diskussion globaler, öffentlicher Anliegen breiter abgestützt wird und allen offentsteht. Die EvB wird diese Öffnung in den folgenden Jahren zu einem zentralen Thema machen. Sie hat dazu eine informative Dokumentation verfasst ("Freie Sicht auf Davos. Neue Spielregeln für das Weltwirtschaftsforum"), die wichtige Hintergründe zum World Economic Forum vermittelt und als Grundlage für die weitere öffentliche Diskussion (auch nach dem diesjährigen Davoser Gipfel) dient.
Die Broschüre "Freie Sicht auf Davos. Neue Spielregeln für das Weltwirtschaftsforum" (A5, 24 Seiten) ist für Fr. 4. plus Porto erhältlich bei: Erklärung von Bern, Postfach, 8031 Zürich, Tel. 01/ 277 70 00, Fax 01/277 70 01 E-Mail: info@evb.ch Internet: www.evb.ch
Inhaltsübersicht | nächster Artikel |