Die Weigerung des US-Senats, das Atomteststopp-Abkommen zu unterzeichnen, ist schockierend. Die dafür verantwortlichen republikanischen SenatorInnen handeln in mehrfacher Hinsicht politisch rücksichtslos: Nicht nur, weil dieser Entscheid vermutlich zum Aufschub der Ratifizierung durch andere Staaten und zur Aufgabe der Überwachungsmechanismen des Abkommens führen wird.
Unter dem Gesichtspunkt der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen ist der Entscheid ein Signal an andere Atommächte (und Fast-Atommächte), dass die USA ihr Bekenntnis zur Nonproliferation fallengelassen haben. Ein Bekenntnis, das bei aller Heuchelei wenigstens einen gewissen Druck auf die Schwellenländer ausübte, die Finger von der atomaren Aufrüstung zu lassen. Dies zeigte sich zum Beispiel an der internationalen Reaktion auf die indischen und pakistanischen Atomtests 1998 gezeigt hat. Ab sofort ist die Botschaft der USA jedoch eindeutig: "Folgt unserem Beispiel: Bewaffnet Euch bis an die Zähne! Ignoriert das internationale Recht und die öffentliche Meinung! Bereitet Euch für ein neues Atomwaffenwettrüsten vor!" Diese Botschaft ausgerechnet in dem Moment auszusenden, in dem in Pakistan einen Militärputsch stattfand, war eine höchst gefährliche Provokation.
Unter dem Gesichtspunkt der Abrüstung ein von den US-Medien selten beachteter Gesichtspunkt ist die Entscheidung ähnlich verheerend. Das Patt in der Internationalen Abrüstungskonferenz während der vergangenen zwei Jahre war bereits ein Gefahrensignal für das Nichtweiterverbreitungs-Abkommen. Das Versäumnis der USA, an ihren an der Konferenz im Jahr 1995 gemachten Zusagen festzuhalten, wird sowohl entschiedene Nichtunterzeichnerstaaten wie auch unschlüssige Unterzeichnerstaaten in Versuchung führen, ihren eigenen Weg zu gehen und eigene Atomwaffenarsenale zu entwickeln: Entweder, um sich gegen die unberechenbar gewordenen, internationales Recht ignorierenden USA zu schützen, oder aber um die Gelegenheit zu nutzen, ihren Nachbarstaaten zuvorzukommen. Die Aussicht auf ein sich derart weiterentwickelndes Nichtweiterverbreitungs-Systems ist keineswegs beruhigend. Da die USA die Hauptverantwortung für die Konsequenzen übernehmen müssen, könnte die Folgekonferenz im April 2000 zu einem harten Ritt für die US-TeilnehmerInnen werden.
Darin liegt auch die einzige Hoffnung: Ähnlich wie die französischen Atomtests 1995 zum Weckruf für die internationale Friedensbewegung wurden, könnte auch der wahnsinnige Isolationismus des US-Senats eine neue Welle der öffentlichen Empörung auslösen und zu einer Wiedergeburt der Anti-Atom-Stimmung führen.
Die brodelnde Unzufriedenheit über die arrogante us-amerikanische Führung könnte schon bald überkochen. Ein Land, das sich weigert, das Landminen-Abkommen zu unterzeichnen oder die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes zu unterstützen; das die UNO erpresst, indem es wiederholt seine Beiträge zurückhält; das den Sicherheitsrat umgeht beim Entscheid, ein kleines europäisches Land zu bombardieren; das alle Schritte in Richtung atomarer Abrüstung abblockt, während es gleichzeitig Milliarden in destabilisierende Raketensysteme investiert; das jetzt selbst ein Abkommen verschmäht, obwohl es den USA die Weiterführung von Atomtests im Labor erlauben würde. Das gleiche Land erhebt aber zur selben Zeit den hohen Anspruch auf die "moralische Führung" in der Welt stellt ein solches Land wird über kurz oder lang einen sehr hohen Preis bezahlen.
Colin Archer ist Generalsekretär des International Peace Bureau (IPB) in Genf.
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